BERGSTEIGEN / 05.10.10

 

Mönch via Nord-West-Bollwerk / Eisnollen / D

 

Gewaltig schaut Sie aus, die Nordwand des Mönchs, wenn man von der kleinen Scheidegg aus Richtung Gipfel blickt. Man stellt sich unweigerlich die Frage, wer diesem Berg eigentlich das Attribut "leichter 4000er" verpasst hat. Egal welchen Anstieg man wählt, einen lockeren Schneehatscher a la Breithorn findet man hier mal sicher nicht.

 

Lukas und ich haben uns für die Nord-West-Seite entschieden. Die Route über den Eisnollen soll es sein, die so elegant zunächst über ein Felsbollwerk und später via Schnee & Eis Richtung Gipfel zieht.

 

Was für Anstieg. Einer, mit 'ner kleinen Vorgeschichte...

Es ist gut zwei Jahre her, es war der 13.09.2014, da standen Björn und ich bereits unter dem Eisnollen auf ca. 3.500 Meter. Allein am Berg, der Wind blies von Osten richtig kalt rein und den Gipfel umwehten Schneefahnen. Na ja, war halt nicht sehr gemütlich. Nachdem der Wind Björns Eisgeräte sowie sein Sicherungsgeräte an den Fuß des letzten Plateaus befördert hatte und sich bei uns Unsicherheit ob des weiteren Wetterentwicklung breit machte, haben wir uns für den Rückzug entschieden. Schweren Herzens kehrten wir um und machten uns wieder auf den Weg zur Guggihütte.


Dort angekommen verbesserte sich das Wetter. Obwohl rational richtig entschieden (denke ich heute noch), hadert man mit sich und der Welt. Hätte man nicht besser beißen sollen, war der Rückzug verfrüht? Egal, die Entscheidung stand und nun musste ich absteigen, für einen zweiten Versuch hatte ich kein Zeitfenster mehr.

 

Unten an der Scheidegg angekommen, schaue ich nochmal wehmütig rauf. Gerne hätte ich mit geballter Faust grimmig dem Nollen meinen ganzen Frust verbal entgegengeschleudert: "Ich komme wieder, Du alter Sauhund. Nochmal jagst Du mich nichts ins Boxhorn".

Zwei Jahre später entsteigen Lukas und ich um 16.30 Uhr der Bahn auf der kleinen Scheidegg. Von unserem eigentlichen Ziel, den Frendopfeiler an der Aiguille du Midi wurde uns am morgen im Bergführerbüro von Chamonix eindrücklich abgeraten. Also entschieden wir uns schnell um und steuerten unseren Plan B an.  Am Mönch hatte ich ja noch eine Scharte auszuwetzen...

 

Schlecht (oder besser: gar nicht) akklimatisiert benötigten wir die im SAC-Führer angegeben 3,5 Stunden zur Guggihütte, die wie ein Adlerhorst an der Felsflanke des Mönchs "klebt". Der Aufstieg begann im dichten Nebel samt einem kleinem Verhauer bei der Wegfindung, ab 2.400 Metern riss es jedoch auf uns wir befanden uns über über dem Wolkenmeer. Ein mystischer Augenblick, für diese Momente geht man in die Berge. Im Dunkeln erreichen wir die Selbstversorgerhütte, wohlige Ofenwärme empfängt uns, zwei lokale Bergsteiger hatten es sich bereits gemütlich gemacht. So konnten wir uns gleich an die Kocher begeben und unser Abendessen herrichten.

Um 05.00 Uhr klingelt der Wecker. Eigentlich ist das gar nicht nötig, denn ich habe eh kaum geschlafen.

 

Das Frühstück heruntergewürgt lassen wir uns mit dem Aufbruch etwas Zeit und lassen den Kollegen den Vortritt.

 

Der felsige Teil des Aufstiegs hinterlässt schon recht früh Spuren bei mir. Irgendwie komme ich nicht in Tritt, von einem Rhytmus will ich gar nicht sprechen. Nach 30 Minuten frage ich Lukas, ob das heute überhaupt Sinn macht. Die Höhe macht mir zu schaffen, ich fühle mich schlapp. Nun, wir wollen erstmal bis zum Plateau weitergehen und dann schauen.

 

Ich fange mich ein wenig, das Gelände lässt irgendwann auch ein gleichmäßiges Steigen zu. Nachdem wir zwischenzeitlich die Steigeisen angelegt haben (warum eigentlich nicht früher?), fühlen wir uns in diesem bröseligen, mit Schnee und Eis überzogenen 45-Grad-Gelände auch sichtlich wohler.

Irgendwann stehen wir dann unter dem Nollen. Hab' mich schon besser gefühlt, aber nach dem Nollen geht es ja im Hochtourenmodus weiter. So steht es zumindest in den einschlägigen Tourenberichten. Die 2-3 steileren Eislängen werde ich schon hinter mich bringen.

 

Lukas hat schon alles hergerichtet und steigt den Krams vor. Schaut nicht besonderes schwierig aus, ist es dann auch nicht. Nur anstrengend. Warum wohne ich eigentlich in Herford auf 50 Metern Meereshöhe?

 

Oben angekommen, bewegen wir uns angeseilt den Hängegletscher Richtung Bergschrund zum oberen Wandteil. Das Gelände ist angenehm zu gehen, ich finde einen guten Rhytmus und kann mich etwas erholen. 

Nach etwas Suche finden wir dann auch einen geeigneten Übergang und befinden uns in der Headwall. Doch, was'n das? Nix mehr mit Firnstapferei Richtung Gipfelgrat, uns erwartet hübsches Blankeis mit einer 10 cm Auflage Lockerschnee. Das ganze nicht verfestigt.

 

"Na prima", denke ich, "die nächsten knapp 400 Höhenmeter auf Frontalzacken. Das ist schon ein richtig tolles Hobby, dieses Bergsteigen. Immer blauer Himmel und reiner Genuß. Wat 'nen Scheiß und wir mittendrin".

Lukas ist dann irgendwann auch platt. Ich übernehme die Führung und steige dieses unangenehme Gelände, das sich für uns ewig hinzieht, vor.

 

Der Ausstieg auf den Grat ist dann eine echte Erlösung. In den letzten 3 Stunden haben wir eine Menge Körner gelassen.

 

Nach einem kurzen Snack geht's weiter Richtung Gipfel, den wir nach weiteren 100 Höhenmetern erreichen.

 

Der Blick auf den scharfen Gipfelgrat des Mönchs, unserem Abstiegsweg, lässt uns wieder hellwach sein. Habe den gar nicht so exponiert in Erinnerung.

Also nochmal volle Konzentration, teilweise balanciert man auf einem 20 cm breiten Sims ohne seitliche Begrenzung. 

 

Danach geht es über den gutmütigen Felsteil in die Dunkelheit hinein, zum Schluss fordert wiederum unschönes Bröselgelände mit hohem Sturzpotential maximale Aufmerksamkeit. Glücklicherweise kann ich mich so ungefähr an den Weg erinnern, vor vier Jahren war ich ja schonmal hier.

 

Eine letzte Abseilstelle bringen wir auch noch hinter uns, dann geht es zur Mönchsjochhütte, auf der wir schon erwartet werden.  Es gibt ein gutes Gefühl, zu wissen, dass die dort oben auf Ihre Schäfchen schon aufpassen und späte Seilschaften immer im Blick haben.

 

Den nächsten Tag geht's mit der Jungfraubahn ab nach unten. Unten auf der Scheidegg tut Lukas 'nen guten (und teuren) Kaffee aus, der uns mal richtig gut schmeckt.

 

Gedankenverloren und zufrieden blicke nochmal zum Mönch zurück: "Hey Mönch, war 'ne verdammt geile Tour. Danke dafür."

 

Und danke Dir, Lukas, dass Du immer wieder mit dem alten Mann losziehst... :-)